Wie eine simple Prämie die Krankentage um 30 % senken könnte:
Rund 18,4 Krankheitstage pro Jahr – so oft fehlte laut dem Gesundheitsreport der DAK im Jahr 2023 ein durchschnittlicher Arbeitnehmende in Deutschland. Für Unternehmen bedeutet das: Produktionsausfälle, hohe Kosten und eine Menge organisatorischer Aufwand. Klingt dramatisch? Ist es auch.
Einige Firmen setzen deshalb auf einen umstrittenen Hebel: die Anwesenheitsprämie. Geld für Gesundheit – klingt erstmal nach einer Win-Win-Situation. Doch funktioniert das wirklich? Und ist es fair?
Eine Anwesenheitsprämie – auch als Anwesenheitsbonus bekannt – ist in den meisten Fällen ein finanzieller Anreiz, den Unternehmen ihren Mitarbeitenden zahlen, wenn sie über einen bestimmten Zeitraum hinweg keine Krankheitstage oder unentschuldigten Fehlzeiten haben. Das Ziel ist es, Fehlzeiten zu reduzieren.
In der Praxis zeigt sich, dass einige Unternehmen bereits auf dieses Instrument setzen. So zahlt die Hamburger Hochbahn laut Manager Magazin ihren Mitarbeitenden eine Prämie von 615,62 Euro pro Halbjahr, bei Auszubildenden sind es 566,67 Euro. Der Anreiz greift gestaffelt: Erst ab dem dritten Krankheitstag wird ein Abzug vorgenommen, ab dem 17. Krankheitstag entfällt die Prämie vollständig.
Gesunde Mitarbeitende sind für jedes Unternehmen ein unschätzbarer Vorteil. Doch was bedeutet es eigentlich für den Arbeitgeber, wenn Mitarbeitende selten oder gar nicht krank sind? Es gibt einige ganz konkrete Vorteile, die sich positiv auf das Unternehmen auswirken können.
Erstens sorgt eine hohe Anwesenheit für mehr Produktivität. Mitarbeitende, die regelmäßig zur Arbeit erscheinen, tragen kontinuierlich zur Leistung des Unternehmens bei. Es entstehen weniger Störungen im Arbeitsablauf, und Projekte können effizienter voranschreiten. Das hilft nicht nur dabei, Deadlines einzuhalten, sondern auch die Unternehmensziele schneller zu erreichen.
Zweitens sinken die Kosten für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Wenn Mitarbeitende weniger krank sind, fallen weniger Ausfälle an, was den Arbeitgeber von der finanziellen Belastung der Lohnfortzahlung entlastet. Das bedeutet, dass mehr Mittel für andere Unternehmensbereiche zur Verfügung stehen.
Drittens wird die Arbeitsplanung deutlich einfacher. Wenn weniger Mitarbeitende krank sind, gibt es weniger spontane Vertretungsregelungen und kurzfristige Umplanungen. Der Betrieb läuft einfach stabiler, und die Organisation wird wesentlich unkomplizierter.
Eine Anwesenheitsprämie muss klar und schriftlich geregelt sein – entweder direkt im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung. Ohne eine solche Regelung ist die Auszahlung rechtlich nicht abgesichert.
Die Höhe der Prämie darf nicht gegen gesetzliche Vorgaben wie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßen. Wichtig ist, dass die Auszahlung transparent, diskriminierungsfrei und nachvollziehbar gestaltet ist.
Üblich sind staffelbare Modelle, bei denen sich die Prämie je nach Fehlzeiten reduziert. Zum Beispiel: Volle Auszahlung bei 0–2 Fehltagen, anteilige Kürzung ab dem dritten Fehltag. Diese Regelungen müssen klar definiert und kommuniziert sein.
Bei krankheitsbedingten Fehlzeiten kann die Prämie anteilig gekürzt werden. Häufig liegt die Kürzung bei etwa 25 Prozent pro Fehltag, wobei das Entgeltfortzahlungsgesetz berücksichtigt werden muss. Wichtig: Gesundheit darf nicht pauschal „bestraft“ werden.
5. Einhaltung gesetzlicher Vorgaben
Alle Regelungen rund um die Prämie müssen sich im Rahmen des Arbeitsrechts, des Entgeltfortzahlungsgesetzes und weiterer Schutzgesetze bewegen. Ein Verstoß, zum Beispiel durch ungerechtfertigten Entzug der Prämie, kann rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Anwesenheitsprämien gelten grundsätzlich als steuer- und sozialversicherungspflichtiger Arbeitslohn. Sie können nur dann pauschal versteuert werden, wenn sie zusätzlich zum Gehalt gezahlt werden und unter die 50-Euro-Sachbezugsgrenze fallen. Unternehmen sollten sich vorab steuerlich beraten lassen, um Gestaltungsspielräume optimal zu nutzen.
💡Unternehmen wie Marktkost zahlen hier indirekt ein: Statt rein monetärer Prämien sind steuerfreie Sachleistungen wie gesundes Essen oder ein Zuschuss zur Mitarbeiterverpflegung eine attraktive Alternative – steuerlich begünstigt, weniger bürokratisch und gleichzeitig gesundheitsfördernd.
Mehr dazu in unserem Artikel: Wellbeing am Arbeitsplatz: Schlüssel zur Mitarbeiterzufriedenheit und Unternehmenserfolg
Die Wirksamkeit einer Anwesenheitsprämie hängt stark von der jeweiligen Unternehmensstruktur und Teamzusammensetzung ab. In kleineren Teams kann sie besonders gut funktionieren, da die individuelle Leistung sichtbarer ist und die Motivation direkter gefördert werden kann. Auch in produktionsnahen Bereichen oder im Handwerk, wo physische Anwesenheit entscheidend ist, kann ein solcher Bonus gezielt wirken.
In Unternehmen mit einem eher jungen Team, zum Beispiel mit vielen Berufseinsteigenden, kann die Prämie zusätzlich als Orientierung und Anreiz dienen, weil finanzielle Benefits in dieser Lebensphase oft besonders geschätzt werden. Ebenso in Branchen mit häufigen kurzfristigen Ausfällen, wie z. B. im Einzelhandel oder der Gastronomie, kann eine solche Maßnahme helfen, die Planbarkeit zu verbessern.
Anders sieht es aus in Unternehmen mit hohem Remote-Anteil, stark durchmischten Altersstrukturen oder vielen Mitarbeitenden mit chronischen Erkrankungen haben. Hier kann die Prämie schnell ihre Wirkung verlieren oder sogar zu Ungerechtigkeiten führen.
Anstatt krankheitsbedingte Fehlzeiten durch finanzielle Anreize zu regulieren, gibt es nachhaltigere Maßnahmen:
Die Anwesenheitsprämie kann kurzfristig ein wirksamer Anreiz sein, um Fehlzeiten zu verringern – das zeigen auch Beispiele aus der Praxis. So etwa beim Kunststoffhersteller BIA aus Solingen: Dort wurde die Prämie in der Fertigung eingeführt, wodurch sich die Krankenquote um ganze drei Prozentpunkte reduzierte. Für die Mitarbeitenden bedeutet das bis zu zehn Prozent mehr Lohn, für das Unternehmen monatlich zwar rund 80.000 Euro an Mehrkosten – doch diese Investition zahlt sich durch mehr Verlässlichkeit und weniger Ausfälle aus (Manager Magazin).
Langfristig sollte der Fokus dennoch auf nachhaltigen Maßnahmen liegen, die das Wohlbefinden der Mitarbeitenden ganzheitlich stärken. Gesunde Ernährung, flexible Arbeitszeiten und betriebliche Gesundheitsangebote haben nachweislich einen positiven Einfluss auf Gesundheit, Motivation und Teamdynamik – und wirken damit oft nachhaltiger als rein monetäre Anreize.